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Zur Frage eines "Parapsychologie-Studiums"
Das IGPP bekommt häufig Anfragen nach Studien-, Ausbildungs-
oder Berufsmöglichkeiten auf dem Gebiet der
Parapsychologie. 'Parapsychologie' als selbständiges Studienfach
wird jedoch an keiner deutschen Universität angeboten, auch ein
'Fernstudium' oder eine 'Fortbildung' sind nicht möglich. Der
Titel 'Parapsychologe' ist juristisch nicht geschützt, er kann
von jedermann verwendet werden und wird daher auch für unseriöse
Zwecke und Geschäftemacherei missbraucht (siehe einschlägige
Annoncen von 'Hellsehern', 'Magiern', 'Heilern',
'Parapsychologen'). Insofern ist vor dubiosen Zertifikaten und
Diplomen, die - wie z. B. der Titel 'Diplom-Parapsychologe' -
mitunter im Rahmen der Okkult- und Esoterikszene angeboten
werden, entschieden zu warnen. Die beste Voraussetzung für eine
wissenschaftliche Tätigkeit auf parapsychologischem Gebiet und
für die Beurteilung des empirischen und theoretischen
Forschungsstandes bietet ein reguläres Studium einer Human-,
Sozial- oder Naturwissenschaft. Die meisten 'aktiven' Forscher
und Forscherinnen auf parapsychologischem Gebiet sind von ihrer
Ausbildung her Psychologen (in der Mehrzahl) oder Physiker und
sind in der Regel Mitglieder der 1957 gegründeten
internationalen 'Parapsychological Association' (
https://www.parapsych.org/).
Zur Situation an der Universität Freiburg
An der Universität Freiburg i. Br. existierte von 1954 bis 1998
eine für
Prof. Hans Bender
(1907-1991) - der Gründer des IGPP - eingerichtete Professur
für Grenzgebiete der Psychologie, die 1967 in ein Ordinariat für
Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie (zusammen mit
gleichnamiger Abteilung) am Psychologischen Institut umgewandelt
wurde. Nach Benders Emeritierung (Pensionierung) 1975 wurde sein
Schüler
Prof. Johannes
Mischo (1930-2001) Nachfolger, der von
1991 bis 2001 ebenfalls das IGPP leitete und 1998 emeritiert
wurde. Nach Mischos Emeritierung wurde das Ordinariat in
'Pädagogische Psychologie' umgewidmet. Zu den regulären Lehr-
und Forschungsaufgaben der ehemaligen Universitätsabteilung
'Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie' gehörten in
erster Linie normalpsychologische Fächer, wie zum Beispiel
Psychodiagnostik, Sozial- oder Persönlichkeitspsychologie. Da
nur etwa 30 Prozent der Lehr- und Forschungskapazität der
Abteilung den "Grenzgebieten der Psychologie " vorbehalten
waren, hat es einen Lehrstuhl, der ausschließlich für
Parapsychologie bestimmt war, an der Universität Freiburg nicht
gegeben.
Freiwilliges Zusatzfach "Grenzgebiete der Psychologie / Parapsychologie"
(1978 bis 1998)
Zwischen 1978 und 1998 war es an der Universität Freiburg
möglich, im Rahmen des Diplomhauptstudiums (5. bis
8. Fachsemester) "Grenzgebiete der Psychologie /
Parapsychologie" als freiwilliges Zusatzfach zu studieren und
eine Prüfung abzulegen. Im "Studienplan für den
Diplomstudiengang Psychologie" vom 1. Juli 1996 wurden die
damaligen Lehrinhalte wie folgt umschrieben: "Im Themenbereich
des Zusatzfaches 'Grenzgebiete der Psychologie' werden psycho-
und sozialhygienische Fragestellungen behandelt, die an weit
verbreitete 'okkulte' oder 'magische' Erlebnisbereitschaften
anknüpfen. Unter der historischen Perspektive wird der
'Okkulttradition' nachgegangen und deren Einordnung im
Entdeckungsprozess der Wissenschaftsgeschichte ermöglicht. Die
'Parapsychologie' untersucht unter dem 'kognitiven' Aspekt das
Problem der 'außersinnlichen Wahrnehmung' in den drei Formen der
Telepathie, des Hellsehens und der Präkognition. Dabei wird
geprüft, ob und unter welchen Bedingungen Organismen in der Lage
sind, Informationen außerhalb bisher bekannter Sinnesorgane
aufzunehmen. Unter dem 'motorischen' Aspekt wird die Frage der
'Psychokinese' untersucht, ob und in welchen Bedingungsgefügen
menschliche Organismen eine direkte Wirkung auf materielle
Systeme außerhalb bisher bekannter physikalischer
Erklärungszusammenhänge ausüben können."
Heutige Situation
Bis 2009 bot Dipl.-Psych. Eberhard Bauer (IGPP) zusammen mit
Mitarbeitern des IGPP im Rahmen eines Lehrauftrages an der
Universität Freiburg jeweils im Sommersemester ein Seminar
"Einführung in die Parapsychologie" an, das Entwicklung,
Methoden, Ergebnisse, Theorien, Probleme und Kontroversen der
parapsychologischen Forschung überblicksartig vorstellte und
Einblicke in laufende Forschungsprojekte sowie in die Beratungs-
und Informationsarbeit des IGPP vermittelte. Dieses Seminar
richtete sich in erster Linie an Studierende der Psychologie,
stand aber auch für Hörer aller Fakultäten offen. Zum
Kennenlernen seiner aktuellen Forschungs- und Beratungsthemen
bietet das Institut heute Praktikumsplätze für Studierende der
Psychologie und anderer Disziplinen an. Über die Themen laufender
Forschungsarbeiten am IGPP orientiert das
Institutskolloquium,
in dem auch externe Forscherinnen und Forscher vortragen. Auch
an anderen deutschen Universitäten werden Themen der
Parapsychologie mitunter in Vorlesungen und Seminaren zumeist
sozial- oder kulturwissenschaftlicher Fächer (z. B. Psychologie,
Soziologie, Volkskunde, Ethnologie, Religions-, Geschichts- oder
Literaturwissenschaft) behandelt. Eine internationale
Zusammenstellung universitärer Lehrveranstaltungen zu
Forschungsthemen der Parapsychologie - Stand: Januar 2009 -
findet sich unter
https://www.parapsych.org/PDF/Parapsychology-Education-Opportunities.pdf.
Eine umfassende Liste parapsychologischer
Forschungsinstitutionen und Organisationen mit
Kurzbeschreibungen - Stand 2008 - hat das 'Institute
Métapsychique International' (IMI) als 'Weissbuch' in
französischer Sprache herausgegeben unter
https://metapsychique.org/IMG/pdf/Institut_Metapsychique_International_-_Livre_Blanc_de_la_Parapsy.pdf.
Das interdisziplinäre Interesse, das parapsychologische
Forschungsthemen schon seit Jahrzehnten finden, spiegelt sich in
zahlreichen akademischen Abschlussarbeiten (
Auswahl von
Dissertationen zu parapsychologischen Themen).
Parapsychologische Fachkonferenzen
Hinzuweisen ist ferner auf jährlich stattfindende,
internationale Fachkonferenzen zur parapsychologischen und
anomalistischen Forschung, die von einschlägigen Organisationen
(s. u.) durchgeführt werden. Wer sich für den aktuellen
"State-of-the-Art", das heißt für die Entwicklung, Methoden,
Forschungsresultate und Modellvorstellungen (Theorien) der
internationalen parapsychologischen Forschungsgemeinschaft
ernsthaft interessiert, sollte möglichst an solchen Konferenzen
teilnehmen. Die Tagungen der "Parapsychological Association"
finden alle zwei Jahre in Europa statt (zum Beispiel 2000 in
Freiburg i. Br., 2002 in Paris, 2004 in Wien, 2006 in Stockholm,
2008 in Winchester, England, 2010 in Paris, 2013 in Viterbo,
Italien, 2015 in Greenwich, England). Weitere Informationen:
In Deutschland bieten die jährlichen Workshops der "Wissenschaftlichen
Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie e. V." (WGFP) eine
Möglichkeit, jeweils neueste Forschungsergebnisse der Parapsychologie
in Ausschnitten kennenzulernen (siehe
Verzeichnis von Referenten und Vortragsthemen der WGFP-Workshops
1983-2018). Weitere Informationen bei Dipl.-Psych.
Eberhard Bauer IGPP Freiburg (
).
Literaturhinweise
Alvarado, C. S. (2003). Reflections on being a
parapsychologist. Journal of Parapsychology, 67, 211-248 [Bester
Überblick über die derzeitige soziologische Situation
der parapsychologischen Forschungsgemeinde]
Bauer, E. (1983). Parapsychologie
für wen? In E. Bauer & W. v. Lucadou (Hrsg.), Spektrum
der Parapsychologie. Hans Bender zum 75. Geburtstag
(S. 34-44). Freiburg i. Br.: Aurum [Zur Abgrenzungsproblematik
der Parapsychologie]
Bauer, E. & Lucadou, W .v. (1987). Parapsychologie in
Freiburg - Versuch einer Bestandsaufnahme. Zeitschrift
für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 29,
241-282 [Zur historischen Entwicklung des IGPP]
Irwin, H. J. (2013). Education in Parapsychology. Student and
Instructor Perspectives. Australian Institute of
Parapsychological Research (AIPR) Monograph No. 2.
Smith, M. D. (1999). Educating parapsychologists. Journal of
Parapsychology, 63, 235-246.Schildert die Situation in
Großbritannien und geht vor allem auf die maßgebliche Rolle des
'Koestler Chair of Parapsychology' an der Universität
Edinburgh, Schottland, ein
(https://koestlerunit.wordpress.com/)]
Zingrone, N. (ed.) (1999). Education in Parapsychology. New
York: Parapsychology Foundation [Sammlung einschlägiger
Aufsätze]
Text: Eberhard Bauer (Stand März 2009)