Professor Dr. Hans Bender

Eberhard Bauer

Vortrag anlässlich des Symposions Hans Bender und die Geschichte der Parapsychologie in Freiburg im Rahmen der 6. Tagung der Fachgruppe Geschichte der Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Freiburg i.Br. vom 4. bis 7. September 1997. Der Text erschien in Jahnke, J., Fahrenberg, J., Stegie, R., & Bauer, E. (Hrsg.): Psychologiegeschichte: Beziehungen zu Philosophie und Grenzgebieten (Passauer Schriften zur Psychologiegeschichte; Bd. 12). München; Wien: Profil, 1998.

1. Hans Bender (1907-1991): Eine biographische Skizze

Hans Bender gehörte zu jener Generation von Wissenschaftlern, die in der Erforschung paranormaler Phänomene ihre Lebensaufgabe sahen und die sich - wie zum Beispiel der Sozialpsychologe Gardner Murphy und der Biologe Joseph B. Rhine in den USA, die Psychologen Paul Dietz und Wilhelm H. C. Tenhaeff in den Niederlanden oder die Philosophen Hans Driesch und Traugott Konstantin Oesterreich in Deutschland - in den dreißiger Jahren dafür eingesetzt haben, Parapsychologie als legitimes Forschungsgebiet in den Rahmen der Universität zu integrieren. Professor Dr. Hans Bender

Die folgende biographische Skizze orientiert sich an einem dreiseitigen Typoskript aus dem Jahre 1951, das sich im Nachlass Benders gefunden hat und aus dem auch die wörtlichen Zitate stammen.1 Bender wurde am 5. Februar 1907 in Freiburg geboren, legte 1925 das Abitur ab und studierte zunächst - "der Familientradition folgend" (Benders Vater war Rechtsanwalt in Freiburg) - einige Semester Jura in Lausanne und Paris. 1927 wechselte er zum Studium der Psychologie, Philosophie und Romanistik über: "Ich studierte in Freiburg, Heidelberg und Berlin und von 1929 an als Schüler von E. Rothacker und E. R. Curtius in Bonn. Wesentliche Anregungen erhielt ich von W. Koehler in Berlin und Pierre Janet am Collège de France". 1933 promovierte er bei Erich Rothacker, dem Bonner Philosophen und Psychologen, zum Dr. phil. über das Thema Psychische Automatismen, dessen Publikation (Bender, 1936) den Untertitel trägt Zur Experimentalpsychologie des Unterbewußten und der außersinnlichen Wahrnehmung. "Unter seiner [Rothackers] Ägide" - so schreibt Bender in einem Nachruf auf seinen Lehrer - "(entstand) die erste deutsche Dissertation, die zu positiven Ergebnissen auf einem bisher im akademischen Rahmen tabuierten Gebiet kam" (Bender, 1966, S. 149). (In Rothackers Erinnerungen hat sich diese Episode ebenfalls niedergeschlagen, vgl. Rothacker, 1963, S. 109-114). "Das Vorwort zu der im Juni 1933 abgeschlossenen Arbeit enthält das Programm dessen, was mich dann ein ganzes Leben lang beschäftigt", sagt Bender in einem 1983 veröffentlichten Gespräch mit seinem Nachfolger Johannes Mischo (Mischo, 1983, S. 16). Während seiner langjährigen Assistententätigkeit am Bonner Psychologischen Institut (1935-1941) absolvierte er Medizin als Zweitstudium, das er 1939 in Freiburg mit dem Staatsexamen abschloß. "Nach meiner ärztlichen Approbation im September 1939 war ich ein halbes Jahr als Volontärassistent in der Freiburger Psychiatrischen und Nervenklinik tätig, wo ich, gefördert von K. Beringer, dem ich viel verdanke, über psychopathologische Fragen arbeitete. Nach Bonn zurückgekehrt, leitete ich die experimentelle Arbeit des Bonner Psychologischen Instituts und war zugleich als Volontärassistent in der Bonner Medizinischen Klinik tätig." Bereits 1935 hatte Bender in der Zeitschrift für Psychologie eine der ersten experimentalpsychologischen Arbeiten zum Problem der "Außersinnlichen Wahrnehmung" veröffentlicht (Bender, 1935). "Meine experimentellen Ergebnisse auf parapsychologischem Gebiet führten zu einer Zusammenarbeit mit dem damals neu gegründeten Parapsychology Laboratory der amerikanischen Duke-Universität. Mit seinem Leiter, Prof. William McDougall, verband mich ein anregender Kontakt, der mich veranlasste, sein Werk The Energies of Men ins Deutsche zu übertragen" (vgl. McDougall, 1937).

Nachdem sich Bender 1941 mit der Arbeit Experimentelle Visionen an der Bonner Philosophischen Fakultät habilitiert hatte (Bender, 1941), erhielt er aufgrund seiner doppelten Ausbildung einen Ruf an die damalige Reichsuniversität Straßburg, an der er ein Institut für Psychologie und klinische Psychologie errichtete. 1942 wurde er zum Extraordinarius ernannt. Vom November 1944 bis Juli 1945 befand sich Bender in amerikanischer Internierung. Nach seiner Rückkehr nach Freiburg gründete er eine "Forschungsgemeinschaft für psychologische Grenzgebiete", die ein 1950 eröffnetes "Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V." mit Bender als Direktor errichtete. (Näheres dazu siehe im Abschnitt 3.)

Zwischen 1946 und 1949 wurde Bender an der Universität Freiburg mit der vertretungsweisen Wahrnehmung des Lehrstuhls für Psychologie und Pädagogik beauftragt, nahm von 1949 an eine Diätendozentur wahr und hatte zwischen 1951 und 1954 eine Gastprofessur inne. Seine Vorlesungen und Übungen in diesen Jahren behandelten Themen der Allgemeinen Psychologie, der Sozial-, Entwicklungs- sowie Klinischen Psychologie. 1954 erfolgte schließlich die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor für Grenzgebiete der Psychologie. Seine erste Vorlesung über Parapsychologie hielt Bender im Wintersemester 1955/56.

Die außerplanmäßige Professur wurde 1967 in ein Ordinariat für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie umgewandelt und zugleich dem Psychologischen Institut der Universität eine "Abteilung für Grenzgebiete der Psychologie" angegliedert, für die von der Universität Räume im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene angemietet wurden. Die Doppelfunktion von Lehrstuhlinhaber wie Direktor des Privatinstituts vereinigte Bender in Personalunion bis 1975, dem Jahr seiner Emeritierung, in dem es zu einer Entflechtung der beiden Institutionen kam; als Nachfolger auf den Lehrstuhl wurde Benders langjähriger Assistent Johannes Mischo berufen, der nach Benders Tod am 7. Mai 1991 im Dezember 1991 von der Mitgliederversammlung des e.V.-Instituts zum neuen Direktor gewählt wurde.

2. Das parapsychologiegeschichtliche Umfeld Benders

Der Name Hans Bender ist für die Wissenschaftsgeschichte der Parapsychologie in Deutschland instrumental geworden. In den frühen dreißiger Jahren, als Bender in Bonn seine wissenschaftliche Laufbahn begann, war bereits eine Reihe wichtiger Publikationen erschienen, die auf eine - wenn auch zögernde - Öffnung der "offiziellen" Wissenschaft gegenüber dem bisher tabuierten Gebiet der Parapsychologie (gelegentlich als "Wissenschaftlicher Okkultismus" umschrieben) hindeuteten: Max Dessoir (1867-1947), der Berliner Philosoph und Psychologe, der 1889 das Wort "Parapsychologie" geprägt hatte, gab 1931 in 6. Auflage sein einflußreiches Buch Vom Jenseits der Seele (Dessoir, 1931) heraus, das repräsentativ war für die skeptisch-reservierte Einstellung der damaligen Universitätspsychologie in bezug auf die "Geheimwissenschaften". Darunter verstand Dessoir die "Parapsychologie" - unter Einschluß von Traum und Hypnose, Telepathie und Hellsehen sowie die psychischen Automatismen -, die "Paraphysik" (physikalischer Mediumismus) und schließlich die Kabbalistik, Christian Science und Anthropologie (Bauer, 1967). Der Leipziger Biologe und Philosoph Hans Driesch (1867-1941) veröffentlichte 1932 die Methodenlehre Parapsychologie: Die Wissenschaft von den "okkulten" Erscheinungen, in der er sich energisch für die akademische Integration der Parapsychologie einsetzte und zur Gründung einer großen parapsychologischen Gesellschaft - nach dem Vorbild der 1882 in London gegründeten "Society for Psychical Research" - aufrief (Driesch, 1932, S. 6/7). Bender hat sich an die intellektuelle Ermutigung, die er durch Drieschs Vorbild erfahren hat, zeitlebens dankbar erinnert (Bender, 1952). Ähnliche Absichten verfolgten auch der Tübinger Philosoph und Psychologe Traugott Konstantin Oesterreich (1880-1949), der wichtige Arbeiten über die Phänomenologie von Besessenheitszuständen und Persönlichkeitsspaltung veröffentlicht hatte, der Münchner Arzt Rudolf Tischner (1879-1961) sowie der Gießener Philosoph August Messer (1867-1937) (weitere Nachweise bei Bauer, 1991a). 1935 brachte die Biologin Fanny Moser (1872-1953) ihr zweibändiges Lebenswerk Okkultismus. Täuschungen und Tatsachen (Moser, 1935) heraus, das eine möglichst umfassende Materialsammlung und objektive Abwägung der pro- und contra-Argumente bieten wollte. Bender, der Fanny Moser 1936 persönlich kennengelernt hatte, zeigt sich von der "Lebendigkeit ihres Geistes, getragen von einem stürmischen Temperament", sehr beeindruckt (Bender, 1974, S. VII). Nach dem Kriege vermachte sie ihre Bibliothek, ihren wissenschaftlichen Nachlaß und Anteile an Liegenschaften in München dem gerade gegründeten Freiburger Institut (siehe Abschnitt 3). Mosers "Vermächtnis hat entscheidend dazu beigetragen, daß eine langfristige Forschung auf dem umstrittenen Bereich des Verborgenen in uns und in der Welt möglich wurde" (Bender, 1974, S. VII).

Die beiden amerikanischen Wissenschaftshistoriker Mauskopf und McVaugh gehen in ihrer maßgeblichen Geschichte der experimentellen Parapsychologie (die sich hauptsächlich mit der bahnbrechenden Forschungsarbeit von J.B. Rhine an der Duke-Universität beschäftigt) auch kurz auf die Situation der "psychical research" in Deutschland zwischen den Weltkriegen ein, erwähnen die aus politischen Gründen erfolgte Zwangsemeritierung Hans Drieschs 1933 und kommentieren: Drieschs "retirement made the young Hans Bender the man best situated to give psychical research academic respectability in Germany. He had at Bonn what Rhine had at Duke - a junior appointment at an university - and doctoral training in psychology as well" (Mauskopf & McVaugh, 1980, S. 215). Diese beiden günstigen Voraussetzungen konnte Bender in ein langfristiges Programm umsetzen; zu dessen Konturen schreibt der 29jährige im Vorwort zu seiner Dissertation: "Es gilt, Tatsachen sachlich zu prüfen und sie gegen zwei Fronten zu sichern: gegen die apriorischen Negativisten und gegen die gläubigen Okkultisten. Die psychologischen Forschungsstätten und das psychologische Rüstzeug scheinen mir zu einer solchen Mittlerstellung besonders geeignet zu sein. Die 'okkulten' Erscheinungen spielen im Volksbewußtsein eine unausrottbare große Rolle. Der Unfug, der mit ihnen betrieben wird, ist bedenklich und muß in schärfster Weise bekämpft werden. Dieser Kampf wird dadurch unterstützt, daß sich die Wissenschaft ernsthaft diesen Vorgängen zuwendet und sie des geheimnisvollen Nimbus, mit dem sie die wundersüchtige Phantasie ausschmückt, mehr und mehr entkleidet. Damit fördert sie eine echte Aufklärung und bereitet die sozialhygienische Arbeit vor, die zur Bekämpfung der Schäden, die der 'Okkultismus' im Volkskörper anrichtet, geleistet werden muß" (Bender, 1936, S. VI). In diesem Zitat sind zwei Grundüberzeugungen Benders enthalten, die sein Werk charakterisieren: einmal, daß die parapsychologische Forschung als Teilgebiet der Psychologie in den Rahmen der Universität gehört und - eng damit verwandt -, daß die Erforschung außergewöhnlicher seelischer Fähigkeiten prinzipiell mit einer etablierten, experimentalwissenschaftlichen Methodik vorangetrieben werden kann; zum anderen, daß eine kritisch aufgefaßte Parapsychologie, die sich vom Dogmatismus der Nein- und Ja-Sager distanziert, eine Aufklärungspflicht der Öffentlichkeit gegenüber hat. Vor allem der zweite Punkt - die Betonung der "psychohygienischen Aufgabe" parapsychologischer Forschung - spielt bei der Gründung seines späteren Instituts eine programmatische Rolle.

3. Die Gründungsjahre des "Instituts für Grenzgebiet der Psychologie und Psychohygiene"

Bender war 43 Jahre alt, als er am 19. Juni 1950 das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene auf der Eichhalde 12 in Freiburg-Herdern (deshalb "Eichhalde Institut" genannt) eröffnete. Der Parapsychologie-Pionier Joseph B. Rhine von der Duke Universität (North Carolina, USA), mit dem Bender seit seiner Bonner Zeit in brieflichem Kontakt gestanden hatte, hielt eine Ansprache zum Thema "The Science of Parapsychology Today"; an dem anschließenden Rundgespräch beteiligten sich der Kunsthistoriker Gustav F. Hartlaub (Heidelberg), die Psychologen Robert Heiß (Freiburg) und Philip Lersch (München), der Arzt Heinrich Meng (Basel), der Physiologe Hans Schäfer (Heidelberg) sowie die Philosophin und Husserl-Schülerin Gerda Walther (München).

Bender selbst hatte seine Eröffnungsansprache dem Thema "Der Okkultismus als Problem der Psychohygiene" gewidmet, aus der einige Kernsätze zitiert seien: "Mannigfache soziale Einstellungen und Haltungen bauen sich auf echten und vermeintlichen okkulten Erlebnissen auf. Krisenzeiten verstärken die Bereitschaft, sich dem Okkulten zuzuwenden. Viele suchen dann einen Halt bei Menschen, die im Besitze okkulter Fähigkeiten sein sollen: bei Hellsehern, Wahrsagern, Astrologen, Psychographologen usw. Die einen erhoffen sich eine Auskunft über den Verbleib vermißter Angehöriger, die andern treiben Versagung und Enttäuschung zur Beschäftigung mit dem Okkulten. Sekten, Zirkel und okkulte Vereinigungen warten darauf, solche Blindgläubigen aufzufangen. Dies alles gehört zum Dunstkreis des Okkulten. Es ist ein verwirrender Aspekt mit seinen sozialen Folgen der Fehleinstellung, der Flucht vor der Wirklichkeit, ja, [...] der ernstlichen Gefährdung seelischer Gesundheit, des Betruges und der Ausbeutung. Hier ist der Psychohygiene eine große Aufgabe gestellt: nämlich die Aufklärung, die Vermittlung von Kenntnissen über Erscheinungsformen der Begegnung mit dem Ungewöhnlichen, die Aufstellung eines Ordnungsschemas, das auch dem einfachen Menschen faßlich ist und ihm zu benennen ermöglicht, was ihn sonst beunruhigt; denn schon das Nennen bannt bekanntlich die Dämonen" (Bender 1950, S. 35).

Dementsprechend faßte Bender den Aufgaben- und Forschungsbereich seines neu gegründeten Instituts in folgenden Programmpunkten zusammen: (1) 'Sozialhygienische Untersuchungen auf dem Gebiet des Okkultismus und des Aberglaubens'; (2) 'Positive Kritik des Aberglaubens', begründet auf Untersuchungen auf dem Gebiet der Parapsychologie: a) Experimentelle Arbeiten über außersinnliche Wahrnehmungen, b) Sammlung von Erlebnisberichten, c) Prüfung angeblicher "Hellseher" und wissenschaftlich nicht anerkannter Deutungs- und Beratungspraktiken wie Astrologie, Chirologie, Wünschelrute etc.; (3) 'Psychodiagnostische Abteilung': a) Seelischer Gesundheitsschutz (Psychohygiene) im Sinne eines beratenden psychologischen Umgangs mit beunruhigenden oder ängstigenden "okkulten" und parapsychischen Spontanerfahrungen, b) Persönlichkeitsbegutachtung. Einige Studien, die für den so umrissenen Aufgabenbereich charakteristisch sind und aus dem ersten Jahrzehnt der Institutsarbeit stammen, seien hier schlaglichtartig erwähnt. Die sozial- bzw. psychohygienisch orientierten Untersuchungen konzentrierten sich vor allem auf die Themengebiete der Astrologie und der Geistigen Heilung. Diese und ähnliche nicht unmittelbar zur Parapsychologie gehörenden "Grenzgebiete" sollten kritisch auf ihren Tatsachengehalt untersucht werden, um eine sachlich begründete Aufklärung zu ermöglichen (Bender, 1955). In diesem Sinne führte das Institut in den Jahren 1952 bis 1955 ein umfangreiches, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstütztes Forschungsprogramm mit dem Titel "Untersuchung wissenschaftlich nicht anerkannter Deutungs- und Beratungspraktiken" durch, in dem es in erster Linie um eine Prüfung der Validität und Objektivität astrologischer Aussagen ging (Timm & Köberl, 1986). Ebenfalls in die Frühzeit des Instituts fiel eine Untersuchung, die Inge Strauch zusammen mit der Medizinischen Poliklinik der Universität Freiburg über die Tätigkeit eines "Geistigen Heilers" durchführte. Es wurden 650 Patienten medizinisch und psychologisch erfaßt und in einer nachgehenden Kontrolle bis zu 14 Monaten auf die Ergebnisse ihres Kontaktes mit dem Heiler untersucht. Hierbei bestätigte sich vor allem der Einfluß einer positiven Erwartungshaltung auf die subjektiv erlebten Besserungen (vgl. Strauch, 1958, 1960).

Eine Sammlung von tausend Spontanberichten über paranormale Erlebnisse wurde von Gerhard Sannwald unter formalen Gesichtspunkten vorgenommen und später im Hinblick auf die psychologische Motivation, die inhaltlichen Themen und die Bezugspersonen der Erlebnisse analysiert (Sannwald, 1959, 1960). Eine weitere Untersuchung befaßte sich mit der Persönlichkeitsstruktur von Berichterstattern eigener vermutlich parapsychischer Erlebnisse. Diese wurde mit einer Kontrollgruppe verglichen. Dabei ließ sich eine gewisse Persönlichkeitsdisposition zu solchen Erlebnissen feststellen, die jedoch zu ihrer Auslösung einer besonderen affektiv geladenen Situation bedurfte (Sannwald, 1961/62, 1962/63). Die Sammlung kasuistischen Materials schloß auch die Untersuchung sog. Spukphänomene, mit der Bender - gewissermaßen in der Nachfolge Fanny Mosers - bereits 1948 begonnen hatte. Grundsätzliches zur Methodik solcher Felduntersuchungen diskutierte Bender (1970) anhand von eigenem Fallmaterial rückblickend in seiner Präsidentenansprache zum 12. Kongreß der Parapsychological Association 1969. Die von ihm erwähnten Methoden umfaßten neben Zeugenbefragungen, erwartender Beobachtung der fraglichen Vorgänge, kriminalistischen Methoden zur Aufdeckung von betrügerischen Manipulationen, besonders auch die individual- und gruppendiagnostische Untersuchung mutmaßlicher "Spukauslöser" (den sog. Fokuspersonen) in ihrem jeweiligen sozialen Feld.

Ebenfalls aus den frühen fünfziger Jahren stammen methodische Ansätze zur thematischen Analyse paragnostischer ("hellseherischer") Aussagen mit dem holländischen Sensitiven Croiset (1910-1980). Mit Croiset wurden sogenannte "Platzexperimente" durchgeführt, die Bender gemeinsam mit seinem holländischen Kollegen W.H.C. Tenhaeff entwickelt hatte (Bender, 1957b). Bei diesen Versuchen unternahm es der Paragnost, Personen zu beschreiben, die bei einer zukünftigen Veranstaltung auf bestimmten Plätzen sitzen würden. Die vorher aufgezeichneten Aussagen Croisets bezogen sich auf das äußere Erscheinungsbild, das Verhalten und die emotionalen Erlebnisse der zukünftigen "Zielpersonen". Damit sollte eine lebensnahe experimentelle Situation geschaffen werden, die einer objektiven Dokumentation zugänglich war und gleichzeitig einen Einblick in die Struktur paranormaler Funktionen, besonders in ihren affektiven Motivationen, ermöglichen sollte. Das methodische Kernproblem bestand darin, die Spezifität der paragnostischen Aussagen in bezug auf die mutmaßliche Zielperson zu quantifizieren.

Was die Erfassung der Struktur paragnostischer Aussagen betrifft, so zeigte sich Bender - neben der quantitativ erfaßbaren Kongruenz zwischen den Aussagen des Sensitiven und seiner Bezugsperson - gleichermaßen interessiert an der tiefenpsychologisch orientierten Analyse eines "Geflechts von affektiv betonten Beziehungen". Detlev v. Uslar (1957/58, 1958/59) nahm diese Anregung auf, indem er auf die "traumartige" Struktur solcher Aussagen verwies und dafür plädierte, daß man zu ihrer Verifizierung auch die Erfahrungen und Methoden der Traumpsychologie zu Hilfe nehmen müßte.

Inwieweit der Traum als "Vehikel" für paranormale Information in Frage kommt, wurde systematisch in einem Langzeitexperiment ebenfalls in der Anfangszeit des Freiburger Instituts überprüft. Seit 1954 stellte eine Hamburger Schauspielerin, Christine Mylius (1913-1982), dem Institut in kurzen Abständen Niederschriften ihrer Träume zur Verfügung, die dort in erwartender Beobachtung archiviert wurden. Aus dem Material von nahezu 3000 Träumen wurde ein Komplex von 12 Träumen ("Fall Gotenhafen") von Bender und seinem Mitarbeiter J. Mischo gründlich untersucht (Bender & Mischo, 1960/61, 1961/62). Manche Traummotive schienen in auffälliger Weise mit Umständen bei den Dreharbeiten und Filmszenen im Gotenhafenfilm, für den die Träumerin 1959 engagiert wurde, und einem thematisch gegensätzlichen Film, der gleichzeitig produziert wurde, zu koinzidieren. Zum Teil waren diese Träume bereits seit 1954 im Institut archiviert. In ihrer Analyse des Evidenzmaterials unterschieden die Verfasser zwischen einer von außen feststellbaren "Übereinstimmungs-Evidenz", die hauptsächlich bei realistisch-abbildenden Träumen zustande kam, und einer "Evidenz 'verständlicher' Zusammenhänge". Diese ergab sich aus einer Aufdeckung des Traumsinnes, der - wie an sorgfältig dokumentierten Beispielen gezeigt wurde - Gegenwärtiges (Bezugssystem der aktuellen Lebenssituation zur Zeit des Traumes) und Zukünftiges ("präkognitives" Bezugssystem) miteinander durch eine Motivationsbrücke verbindet. Auch in dieser qualitativen Studie zeigte sich die heuristische Fruchtbarkeit einer tiefenpsychologisch-phänomenologischen Zugangsweise. Ein für 1960 angekündigter Sammelband über Strukturprobleme des Traumes, der die verschiedenen Zugangsweisen mit Beiträgen von Bender, F. Vonessen, D. v. Uslar und I. Strauch dokumentieren sollte (Bender, 1960, S. 276), ist nicht erschienen. Große Bedeutung legte Bender von Anfang an auf die Interdisziplinarität seines Forschungsprogramms, insbesondere was die Kontakte zur (theoretischen) Physik betraf: Er stand in brieflichem und persönlichen Kontakt mit Werner Heisenberg (den er für einen Beitrag zu einem geplanten Sammelwerk Stimmen zur Parapsychologie gewinnen wollte), Pascual Jordan, Wolfgang Pauli (vor allem über den Jungschen Synchronizitätsbegriff) und Carl Friedrich von Weizsäcker, den er noch von seiner Straßburger Zeit her kannte.

Bender begann auch früh mit der Sammlung und Archivierung von Materialien, die sich auf die Entwicklung der (deutschsprachigen) Parapsychologie bezogen, was sich zum Beispiel in der Übernahme der Nachlässe und Bibliothek der Biologin Fanny Moser, des Arztes A. von Schrenck-Notzing oder des Juristen A. Hellwig zeigte.

1957 gründete Bender als Institutsorgan die Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, die bis heute die parapsychologische Fachzeitschrift in der Bundesrepublik geblieben ist. Zu den Mitherausgebern der "ersten Stunde" gehörten: Gustav F. Hartlaub (Kunstgeschichte, Heidelberg), Pascual Jordan (Physik, Hamburg), Heinrich Meng (Tiefenpsychologie, Basel), Anton Neuhäusler (Philosophie, München), Emilio Servadio (Psychoanalyse, Rom), Hans Sexauer (Psychiatrie, Stuttgart) und Wilhelm H.C. Tenhaeff (Parapsychologie, Utrecht). Das Selbstverständnis der neuen Zeitschrift charakterisierte Bender (1957a) mit den Worten: "Diese Zeitschrift berichtet in Originalarbeiten und Referaten über Ergebnisse und Probleme der Parapsychologie: über psychische und psychophysische Probleme, die anscheinend nicht in den Bereich heute anerkannter Gesetzlichkeiten fallen (Telepathie, Hellsehen, Präkognition, Psychokinese). In den Themenbereich aufgenommen werden sozialpsychologische und psychohygienische Fragen, die sich auf den Glauben an ungewöhnliche Fähigkeiten und Zusammenhänge beziehen, wie etwa Fragen der außerschulmäßigen Medizin (Geistige Heilung) oder nicht anerkannte Deutungspraktiken (Chirologie, Astrologie u.a.m.). Die mit diesen Grenzgebieten verknüpften normal- und tiefenpsychologischen sowie psychopathologischen Gesichtspunkte werden in den Fragenkreis einbezogen, der den Zielen des Freiburger Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene entspricht."

Die Thematik der Zeitschrift wurde in eine Beiheftreihe aufgenommen und erweitert: 1962 erschien in einer von H. Bender und I. Strauch besorgten Übersetzung ein Standardwerk der amerikanischen Parapsychologen J.B. Rhine und J.G. Pratt (Rhine & Pratt, 1962), 1965 wurde in der Übersetzung des Institutsmitarbeiters H.-V. Werthmann das Buch des sowjetischen Physiologen L. L. Wassiliew über Mentalsuggestion herausgebracht (Wassiliew, 1965). Sein Vortrag "Parapsychische Phänomene als wissenschaftliche Grenzfrage", gehalten am 15. Januar 1958 im Rahmen der Freiburger Ringvorlesung 'Bedeutung und Funktion der Grenze der Wissenschaften', stellte Benders Synopsis von seiner Auffassung von parapsychologischer Forschung dar. Es heißt dort: "Parapsychologie ist heute noch Wissenschaft an der Grenze, Forschung außerhalb dieses Beziehungsgefüges. Der Ausgleich der beunruhigenden Spannung zwischen den uns vertrauten Erfahrungsbereichen und den Psi-Phänomenen ist eines der großen zukünftigen Probleme der parapsychologischen Forschung, das nur in enger Verbindung mit anderen Wissenschaftszweigen einer Lösung nähergebracht werden kann. Diese Integration wird sicher nicht auf dem Hintergrund eines materialistischen oder mechanistischen Weltbildes erfolgen können" (Bender 1957/58, S. 84).

4. Benders Persönlichkeit und Wirkung

Das "Eichhalde-Institut" war Benders persönlichste Schöpfung. Es wurde unter seiner Leitung (und unter Mitarbeit von Lotte Böhringer, der Geschäftsführerin des Instituts) für mehr als dreißig Jahre in Deutschland zu einem Zentrum für eine rege Forschungs-, Informations- und Aufklärungstätigkeit, an das sich - dank der wachsenden Popularität seines Direktors - ungezählte Rat- und Hilfesuchende wandten. Eine beträchtliche Anzahl derjenigen Wissenschaftler, die heute in der Parapsychologie aktiv sind, erhielten ihre ersten Eindrücke von der Psi-Forschung aufgrund eines Besuches im Bender-Institut. Ein nicht abreißender Besucherstrom aus der ganzen Welt rühmte den Blick über die Rheinebene und die Gastfreundlichkeit des Institutsdirektors. Zu den Besuchern zählten Medien und Magier, Astrologen und Ufologen, Pendler und Wünschelrutengeher, Hexen und Heiler, Gurus und Scharlatane, Jenseitsgläubige und beinharte Skeptiker, psychisch Kranke und ernsthafte Wissenschaftler, Schulklassen und Studentengruppen, Fernsehteams und abgebrühte Journalisten - sie alle kamen nach Freiburg, um Bender zu sehen und zu sprechen. Durch viele Veröffentlichungen, zahllose Vorträge, durch Rundfunksendungen und Fernsehauftritte ist Hans Bender weit über die Grenzen Deutschlands hinaus als "der" Parapsychologie-Professor bekannt geworden, der sich in seinem kämpferischen Engagement für die Sache auch durch scharfe Angriffe auf Person und Werk nicht beirren ließ (Gruber, 1993; Schäfer, 1994). Benders Vorlesungen und Seminare waren für Generationen Freiburger Studenten zur Legende geworden. Zu seiner Dienstagsvorlesung, die traditionell zwischen 17 und 18 Uhr in der Aula stattfand (und zu der sich Bender mit obligatorischer Verspätung einzufinden pflegte), waren immer mehrere hundert Hörer erschienen - nicht nur Studenten der geistes- und naturwissenschaftlichen Fakultäten, sondern auch die allgemeine Bevölkerung aus Freiburg und der näheren Umgebung. Bei vielen seiner Zuhörer evozierte Bender eine unvergleichliche Mischung aus Amüsement und Faszination, wenn er, wie es eine Journalistin einstmals treffend beschrieb, "im stets abgedunkelten Hörsaal allein von der Pultlampe in ein geheimnisvolles Licht gesetzt" (Menck, 1987, S. 6), über Erfahrungen, Phänomene und Geschehnisse jenseits aller vertrauten Kategorien berichtete. Bei solchen Gelegenheiten konnte das Bendersche Charisma eine beinahe suggestive Kraft entfalten, und viele der Zuhörer spürten, daß hier kein austauschbarer Lehrstoff trocken referiert wurde, sondern daß hier jemand mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit hinter demjenigen stand, was er vortrug (Bauer, 1987). "Er versuchte, das Ganze des Paranormalen einer 'scientific community' vor Augen zu führen, die mit wenigen Ausnahmen für die "verborgene Wirklichkeit" mit Blindheit geschlagen war" - diese Sätze, mit denen Bender 1981 seinen Nachruf auf seinen Kollegen Tenhaeff beendete (Bender, 1981, S. 236), dürften auch für ihn gelten.

Anmerkungen

1 Der Nachlaß Benders befindet sich im Archiv des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene. Autobiographische Zeugnisse finden sich bei Bender (1987) und Mischo (1983), Eindrücke von ehemaligen Schülern, Mitarbeitern und Kollegen Benders sind bei Bauer (1987) abgedruckt, ein Werkverzeichnis hat Bauer (1991b) zusammengestellt, der auch zwei Festschriften herausgegeben hat (Bauer, 1974; Bauer & Lucadou, 1983); Darstellungen von Leben und Werk Hans Benders, die allerdings höchst unterschiedliche Akzente setzen, stammen von Gruber (1993) und Schäfer (1994).

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