Eberhard Bauer

Johannes Mischo (1930-2001)

Leben und Werk

Johannes Mischo wurde am 8. August 1930 in Haustadt/Saar geboren. Nach dem Abitur im humanistischen Zweig des Gymnasiums Bad Godesberg begann er im Herbst 1951 ein achtsemestriges Studium der Philosophie, Geschichte und katholischen Theologie in Trier und München. Daran schloss sich ab 1955 das Studium der Psychologie in München, Freiburg und Heidelberg, das er 1960 in Heidelberg mit dem Diplom abschloss. Im gleichen Jahr wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von Prof. Dr. Hans Bender, dem maßgeblichen Vertreter der parapsychologischen Forschung in Deutschland, 1950 gegründeten "Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V." (IGPP) in Freiburg. 1965 erfolgte bei Bender und Robert Heiss die Promotion zum Dr. phil. über das Thema Verlaufsprozesse in Traumserien, Tests und Biographie. Zwischen 1965 und 1970 war Mischo als wissenschaftlicher Assistent an Benders Lehrstuhl für Grenzgebiete der Psychologie der Universität Freiburg tätig. 1973 habilitierte sich Mischo - ebenfalls bei Bender - über das Thema: Außersinnliche Wahrnehmung - Spontane Erfahrung und quantitativ-statistisches Experiment. Es war dies das erste Mal in der deutschen Universitätsgeschichte, daß eine Philosophische Fakultät eine psychologische Habilitationsarbeit zur experimentellen Parapsychologie akzeptierte. 1974 wurde Mischo zum Wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt; ein Jahr später erfolgte - in der Nachfolge Benders - die Berufung zum ordentlichen Professor für "Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie" am Psychologischen Institut der Universität Freiburg. Im Sinne dieser Lehrstuhlcharakteristik umfassten Mischos Lehrveranstaltungen in der Folgezeit zu etwa 75 Prozent die normalpsychologischen Fächer Psychologische Diagnostik, Sozial-, Persönlichkeits- und Tiefenpsychologie, die restlichen 25 Prozent Lehrkapazität standen dem Fach "Parapsychogie/Grenzgebiete der Psychologie" zur Verfügung. Es war Mischos Initiative zu verdanken, daß Studierende im Hauptfach Psychologie zwischen 1978 und 1998 (dem Jahr von Mischos Emeritierung) in der Hauptdiplomprüfung als freiwilliges Zusatzfach "Parapsychologie/Grenzgebiete der Psychologie" wählen konnten und zudem die Möglichkeit bestand, eine Diplom- oder Doktorarbeit mit einer Fragestellung aus diesem Bereich anzufertigen.

1991 (nach dem Tod Benders) wurde Mischo von der Mitgliederversammlung des IGPP zum neuen Direktor gewählt. Infolge des 1992 einsetzenden Zuflusses neuer Stiftungsmittel, die noch einer Initiative Benders zu verdanken waren, standen Mischo und der neu gewählte Vorstand des IGPP vor der nicht einfachen Aufgabe, die traditionellen Schwerpunkte dieses Instituts - Forschung, Beratung und Information auf den psychologischen Grenzgebieten - in relativ kurzer Zeit neu zu strukturieren und erheblich auszuweiten. Als Institutsdirektor blieb Mischo auch nach 1998, dem Jahr seiner Emeritierung, im Amt, um sich dieser Aufgabe konzentriert widmen zu können. Das fünfzigjährige Jubiläum des IGPP am 19. und 20. Juni 2000 zeigte, daß diese Neustrukturierung geglückt ist - das Institut zählt mittlerweile mit mehr als 20 wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und zahlreichen in- und ausländischen wissenschaftlichen Kooperationen zu den größten seiner Art. Im Mai 2001 trat Mischo aufgrund einer schweren Erkrankung als Institutsdirektor zurück; als sein Nachfolger wurde Prof. Dieter Vaitl (Universität Giessen) gewählt. Am 16. August 2001 ist Prof. Mischo verstorben.

Von 1981 bis 1987 war Mischo zusätzlich Erster Vorsitzender der von ihm mitbegründeten "Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie e.V." (WGFP), er betreute von 1960 bis 1968 als Redakteur die populärwissenschaftliche Zeitschrift Neue Wissenschaft und gehörte seit 1980 zum Herausgeberkollegium der von Bender 1957 gegründeten Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie.

Mischos eigene Forschungsarbeiten und Publikationen umfassen folgende Schwerpunkte (siehe untenstehende Literaturliste): (1) Methodenprobleme, die sich bei der Auswertung quantitativ-statistischer ASW-Experimente ergeben; Darstellung des Standes der ASW-Forschung; (2) Zur Psychologie paranormaler Spontanphänomene, qualitative Beschreibung, tiefenpsychologische Zugangsmöglichkeiten am Beispiel von präkognitiven Träumen und Spukphänomenen; (3) Psychologische Aspekte "dämonischer" Besessenheit, Beziehungen zwischen Parapsychologie und Theologie; (4) Persönlichkeits- und sozialpsychologische Korrelate "okkulter" Beliefsysteme und Praktiken, insbesondere bei Jugendlichen. Von den ca. 80 wissenschaftlichen Veröffentlichungen Mischos sind die meisten in der Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie erschienen, in Buchform liegt von ihm vor: Okkultismus bei Jugendlichen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung (Mainz: Grünewald, 1991). Seine Dissertation Verlaufsprozesse in Traumserien, Tests und Biographie (Freiburg, Diss. phil., 1965) sowie seine Habilitationsarbeit Außersinnliche Wahrnehmung - spontane Erfahrung und quantativ-statistisches Experiment als Gegenstand der Forschung (Freiburg i. Br. 1973) blieben unveröffentlicht.

 

Wichtige Veröffentlichungen Prof. Mischos (Auswahl)

(Die meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Prof. Mischo sind in der Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie erschienen.)

 

(1) Methodenprobleme, die sich bei der Auswertung quantitativ-statistischer ASW-Experimente ergeben; Darstellung des Standes der ASW-Forschung (ASW = Außersinnliche Wahrnehmung)

Wichtige Veröffentlichungen dazu:

Mischo, J. (1974a). Neue Perspektiven parapsychologischer Forschung: Der Weg zum multivariaten Experiment. In E. Bauer (Hrsg.), Psi und Psyche. Festschrift für Hans Bender (S. 133-143). Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt.

Mischo, J. (1974b). Parapsychische Phänomene im quantitativ-statistischen Modell I. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 16, 125-147.

Mischo, J. (1975a). Parapsychische Phänomene im quantitativ-statistischen Modell II. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 17, 1-28.

Mischo, J. (1975b). Parapsychische Phänomene im quantitativ-statistischen Modell III. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 17, 201-218.

Mischo, J. (1979a). Methoden, Probleme und Ergebnisse der ASW-Forschung. In G. Conderau (Hrsg.), Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band XV (S. 513-537).

Mischo, J. (1979b). Zum Stand der sheep-goat-Forschung. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 21, 1-22.

Mischo, J. & Wittmann, W. (1980). Ein multivariates ASW-Experiment I. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 22, 23-50.

Mischo, J. & Wittmann, W. (1981a). Ein multivariates ASW-Experiment II. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 23, 27-57.

Mischo, J. & Wittmann, W. (1981b). Ein multivariates ASW-Experiment III. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 23, 95-110.

Mischo, J. (1984). Außersinnliche Wahrnehmung: Methoden - Ergebnisse - Probleme. In E. Bauer & W. v. Lucadou (Hrsg.), Psi - was verbirgt sich dahinter? (S. 9-50). Freiburg i. Br.: Herder (Herderbücherei Bd. 1150).

 

(2) Zur Psychologie paranormaler Spontanphänomene, qualitative Beschreibung, tiefenpsychologische Zugangsmöglichkeiten am Beispiel von präkognitiven Träumen und Spukphänomenen

Wichtige Veröffentlichungen dazu:

Bender, H. & Mischo, J. (1960). "Präkognition" in Traumserien I. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 4, 114-198.

Bender, H. & Mischo, J. (1961). "Präkognition" in Traumserien II. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 5, 10-47.

Mischo, J. (1964). Die Hypothese des Entlarvungstechnikers. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 7, 126-147.

Mischo, J. (1965). Zur Funktion und Bedeutung sogenannter "physikalischer Effekte" in spontanen Erlebnisberichten I. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 8, 159-175.

Mischo, J. (1966). Zur Funktion und Bedeutung sogenannter "physikalischer Effekte" in spontanen Erlebnisberichten II. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 9, 1-29.

Mischo, J. (1983). Parapsychische Erfahrungen und Psychodiagnostik im "affektiven Feld". In E. Bauer & W. v. Lucadou (Hrsg.), Spektrum der Parapsychologie: Hans Bender zum 75. Geburtstag (S. 167-192). Freiburg i. Br.: Aurum.

Mischo, J. (1985). Paranormale Erfahrungen im Traum. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 27, 116-141.

 

(3) Psychologische Aspekte "dämonischer" Besesssenheit, Beziehungen zwischen Parapsychologie und Theologie

Wichtige Veröffentlichungen dazu:

Mischo, J. (1970). Parapsychologie und Wunder I. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 12, 73-89.

Mischo, J. (1975). Interdisziplinäre diagnostische und psychohygienische Perspektiven bei Fällen von "dämonischer Besessenheit". Concilium, 11, 188-198 [Text der Antrittsvorlesung].

Mischo, J. (1978). "Dämonische Besessenheit": Zur Psychologie irrationaler Reaktionen. In W. Kasper & K. Lehmann (Hrsg.), Teufel-Dämonen-Besessenheit (S. 99-146). Mainz: Grünewald.

Mischo, J. (1979). Parapsychologie und Theologie. In G. Condrau (Hrsg.), Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band XV (S. 598-609). Zürich: Kindler.

Mischo, J. & Niemann, U. J. (1983). Die Besessenheit der Anneliese Michel (Klingenberg) in interdisziplinärer Sicht. Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 25, 129-194.

Mischo, J. (1985). Ein interdisziplinärer Zugang zum Thema "Dämonische Besessenheit". Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 27, 157-180.

Mischo, J. (1997). Grenzphänomene im religiösen Kontext und ihre psychologischen Implikationen. In A. Resch (Hrsg.), Paranormologie und Religion (S. 1-26) (= Imago mundi, Band XV).

 

(4) Persönlichkeits- und sozialpsychologische Korrelate "okkulter" Beliefsysteme

Mischo, J. (1991). Okkultismus bei Jugendlichen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag.

Mischo, J. (1996). Der Glaube an parapsychische Phänomene: Schizotypische Muster im Denken und Verhalten? TW Neurologie Psychiatrie, 10, 266-272.

Wolfradt, U., Oubald, V., Straube, E. R., Bischoff, N. & Mischo, J. (1999). Thinking styles, schizotypal traits and anomalous experience. Personality and Individual Differences, 27, 821-830.

 

(5) Mind/Machine Interaction Consortium

Jahn, R., Mischo, J., Vaitl, D. et al. (2000). Mind/Machine Interaction Consortium: PortREG Replication Experiments. Journal of Scientific Exploration, 14, 499-555.

(Zuerst erschienen in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, 42/43, 2000/2001, 214-220.)