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Theorie und Empirie kryptodoxen Wissens
Im Kontext des wissenssoziologische Paradigmas (Berger/Luckmann 1966)
untersucht das Projekt die Existenz von innerhalb unserer Wissensordnung
gut verborgenen "Schattenzonen des Wissens". Deren Gesamtheit wird – im
Anschluss an die häufig getroffene Unterscheidung zwischen Orthodoxie und Heterodoxie
– mit dem zunächst theoretisch konturierten Terminus Kryptodoxie bezeichnet.
Es wird postuliert, dass in modernen Gesellschaften eine Vielzahl solcher
Zonen kryptodoxen Wissens existiert, aus denen im Normalfall kein Wissen nach
außen dringen kann. Da diese (monodirektionale) Abschottung auch wissenschaftliche
Untersuchungen unmöglich macht, können Schattenzonen nur anhand solcher Fällen
untersucht werden, bei denen die ursprünglich kryptodoxen Wissensbestände
inzwischen offenbart bzw. aufgedeckt worden sind. Im Anschluss an
theoretische Überlegungen zur Entstehung kryptodoxen Wissens und dessen spezifischen
Formen (etwa Tabus oder klandestine Deutungsmuster) sollen in den nächsten Jahren
verschiedene empirische Fallstudien durchgeführt werden, in denen einzelne – für
den Arbeitsbereich des IGPP relevante – historische Schattenzonen des Wissens
rekonstruiert und vermessen werden (etwa die verborgenen Tradierung geheimer
magischer Weltbilder und Praxisformen). Das Projekt schließt unmittelbar
an frühere Untersuchungen zu Formen okkulten Denkens an – insbesondere
zum sozialen Geheimnis, das auch für die Schattenzonen des Wissens von
zentraler Bedeutung ist.
Bei der Fortsetzung des Projekts (ab 2017) geht es um die Frage, wie verbotenes bzw. unerwünschtes Wissens kulturell
überhaupt tradiert werden kann. Es sollen verschiedene Wege der klandestinen Weitergabe solcher Wissensbestände
(etwa die ikonographische Verschlüsselung oder die performative Überlieferung) rekonstruiert werden – dabei soll es
insbesondere auch um strukturelle Grenzen und inhärente Fehlerquellen solcher verborgenen Tradierungsprozesse gehen.
Projektleiter/Bearbeiter:
Prof. (apl.) Dr.
Michael Schetsche
Publikationen:
Schetsche, M. (2019). Panorama des Unsichtbaren. Beiträge zu einer Wissenssoziologie des Verborgenen. Berlin: Logos Verlag.
Schetsche, M. (2012).
Theorie der Kryptodoxie. Erkundungen in den Schattenzonen
der Wissensordnung. Soziale Welt 63 (1), S. 5-24.
Schetsche, M. (2012): Empirie der Kryptodoxie. Programmatische Skizze zu einer
Wissenssoziologie des Verborgenen. In: Berliner Journal für Soziologie
22 (2), S. 293-309.