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Paranormale Erfahrungen in der bundesdeutschen Bevölkerung. Eine repräsentative Interviewstudie
Das empirisch ausgerichtete
Forschungsprojekt bestand aus einer repräsentativen
Bevölkerungsumfrage zu Einstellungen und Erfahrungen im
Bereich des Paranormalen sowie einer daran anschließenden
qualitativen Befragung einer Teilstichprobe zum eigenen
außergewöhnlichen Erleben.
Die repräsentative Umfrage
unter 1.510 Personen zeigt, dass die bundesdeutsche
Bevölkerung äußerst aufgeschlossen gegenüber
solchen Phänomenen und Erfahrungen ist. So können sich
zwischen rund 50 und 70 Prozent der Befragten vorstellen, dass es
bestimmte paranormale Phänomene wie außersinnliche
Wahrnehmung, Telepathie oder Präkognition tatsächlich
gibt. Die Existenz von UFOs ist für knapp 25 Prozent der
Bevölkerung vorstellbar.
Die positive Einstellung
gegenüber dem ,Übersinnlichen' korrespondiert mit der
Verbreitung persönlicher Erfahrungen in diesem Bereich: Fast
drei Viertel der Befragten hatten in ihrem Leben mindestens ein
außergewöhnliches Erlebnis, das sich im weitesten
Sinne dem Bereich paranormaler Erfahrungen zuordnen lässt.
Wenn dabei auch die eher alltagsnahen Erfahrungen wie
Déjà vu oder verblüffende Koinzidenzen am
häufigsten in der Bevölkerung vorkommen (vgl. Abb),
berichten doch insgesamt mehr als 50 Prozent der Befragten von
klassischen paranormalen Erfahrungen wie Wahrtraum, Erscheinungen
oder Spuk.
Bemerkenswert ist, dass das
Auftreten solcher Erfahrungen generell unabhängig von
soziodemografischen Merkmalen wie Geschlecht, Herkunft, Bildung
und Religion ist: Ebenso viele Frauen wie Männer, Ost- wie
Westdeutsche, kirchlich organisierte Personen wie Konfessionslose
erleben außergewöhnliche Erfahrungen (durchschnittlich
zwischen zwei und drei der in der Abbildung genannten
Erlebnistypen). Lediglich das Alter der Befragten übt einen
deutlichen Einfluss aus. Hier ist festzustellen, dass die
Offenheit gegenüber paranormalen Phänomenen mit
zunehmenden Alter signifikant abnimmt. Aber auch der Anteil
eigener außergewöhnlicher Erfahrungen wird mit
zunehmenden Alter geringer. Anders formuliert: für
jüngere Menschen ist nicht nur die Existenz
übersinnlicher Phänomene eher vorstellbarer, sondern
sie machen auch signifikant häufiger solche Erfahrungen.
Im zweiten Teil des Projekts
wurden mehr als 200 themenzentrierte Interviews geführt und
analysiert. Hier standen weniger repräsentative Daten und
statistische Zusammenhänge, sondern inhaltliche Fragen nach
Themen, Begleitumständen, Deutungen und Erklärungen der
außergewöhnlichen Erfahrungen im Zentrum des
Interesses.
Die einzelnen Befunde dieser
qualitativen Teilstudie sind zu vielschichtig und komplex, um sie
in wenigen Absätzen adäquat wiedergeben können.
(Hier muss deshalb auf die verschiedenen Publikationen verwiesen
werden.) Zusammenfassend kann an dieser Stelle lediglich gesagt
werden, dass beide Teile der Studie in der Zusammenschau ein
außerordentlich dichtes Bild von der lebensweltlichen
Realität der sogenannten außergewöhnlichen
Erfahrungen zu liefern vermögen. Untersuchungen dieses
speziellen Erfahrungsraumes können vor dem Hintergrund
dieser Untersuchung künftig von drei empirisch gesicherten
Grundannahmen ausgehen: (1) Außergewöhnliche
Erfahrungen mögen für den einzelnen lebensgeschichtlich
selten sein, sind aber in der Bevölkerung
außerordentlich weit verbreitet - und in diesem Sinne
alltäglich. (2) Die von solchen Erfahrungen handelnden Ideen
und Deutungen gehören, auch wenn sie nicht im Rahmen
institutioneller Bildungsprozesse vermittelt werden, dank
Massenmedien, Popularkultur und Alltagskommunikation zum festen
Korpus lebensweltlichen Wissens in der deutschen Gesellschaft.
(3) Der Status des ,Außergewöhnlichen' resultiert
nicht aus der Seltenheit oder Unbekanntheit der Phänomene,
sondern aus einer spezifischen gesellschaftlichen Attribuierung
dieses Wissens- und Erfahrungsraums.
Zusammenfassung: M.
Schetsche (in Zusammenarbeit mit I. Schmied-Knittel)
Projektleiter:
PD Dr.
Michael Schetsche (seit Mai 2002)
Prof. Dr. Johannes Mischo (bis 2001)
Bearbeiterinnen:
Ina
Schmied-Knittel, M.A.
Dipl.-Chem. Raffaella Deflorin, M.A. (bis April 2002)
Dipl. Psych. Harriet Falkenhagen (bis April 2001)
Publikationen:
Eberhard Bauer & Michael Schetsche (Hrsg.) (2003). Alltägliche Wunder.
Erfahrungen mit dem Übersinnlichen. Wissenschaftliche
Befunde. Würzburg: Ergon.
Deflorin, R. & Schmied, I. (2000): Paranormal experiences
in the German population: Conception and realization of an
empirical study. In F. Steinkamp (Ed.), Proceedings of
Presented Papers: The Parapsychological Association 43rd Annual
Convention, 86-98.