Feldforschungsbasierte Einzelfallstudien in den Grenzgebieten – Praxis und Methodologie

Die Aufgabestellung des Projekts besteht in einer systematisierenden Rekonstruktion der Methoden feldforschungsbasierter Einzelfallstudien in den Grenzgebieten. Dabei wird Fragen nach bisher eingesetzten Untersuchungsmethoden, nach den Zusammenhängen zwischen der Art der untersuchten Phänomene und dem jeweiligen Untersuchungsdesign, nach der Bedeutung von impliziten und expliziten Phänomenmodellen sowie nach grundlegenden (etwa erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch begründeten) Restriktionen von Feldforschung in den Grenzgebieten nachgegangen. Dies wird am Beispiel zweier exemplarischer Untersuchungsfelder vorgenommen, nämlich der Spukuntersuchungen und der UFO-Forschung. In ihren sich in vielerlei Hinsicht stark unterscheidenden Themenstellungen spannen sie mit ihrer je spezifischen Affinität zu unterschiedlichen Deutungsmodellen einen weiten Rahmen auf, der auch für die anderen Felder eine Orientierung geben kann. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Feld der Spukuntersuchungen, weil dies der umfangreichste und vermutlich auch bedeutendste Bereich der feldforschungsbasierten Einzelfalluntersuchungen in der Geschichte des IGPP darstellt. Zum einen wird die bestehende Literatur gesichtet, zum anderen werden Materialen des IGPP-Archivs zu aussagekräftigen (historischen) Falluntersuchungen analysiert, die von Mitarbeitern des IGPP durchgeführt worden waren.

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass sich die jeweils gewählte Untersuchungsmethode als stark abhängig von der jeweiligen Vorstellung des Forschers von der (ontologischen) Natur der Phänomene erwies. Hier ließen sich beträchtliche Unterschiede z.B. bezüglich der Auswahl der Messinstrumente und der Interpretation der erhobenen Daten feststellen. Dies fiel besonders bei den Spukuntersuchungen auf, bei der der stark technik-orientierte laienwissenschaftliche Ansatz der meisten sogenannten Ghost Hunting Groups mit den akademisch-wissenschaftlichen Untersuchungsansätzen kontrastiert werden kann. Letztere sind gekennzeichnet durch eine große Skepsis bezüglich der Möglichkeiten einer direkten phänomenbezogenen Untersuchung. Darüber hinaus zeichnen sie sich durch eine im Laufe der letzten Jahrzehnte zunehmende „Psychologisierung des Paranormalen bzw. Okkulten“ aus – eine Entwicklung, die nicht ohne Folgen für die Untersuchung von Spontanfällen blieb, da der Schwerpunkt auf die psychodiagnostischen und psychohygienischen Aspekte verschoben wurde und die phänomenorientierte „parapsychologische“ Fragestellung an Bedeutung verlor. Eine weitere Folge lag in der weitgehenden Beschränkung auf die Untersuchung personengebundenen Spuks, der deutlich besser in psychologisch-funktionalistische Modelle des „Paranormalen“ zu integrieren ist als Spuk mit einer ortsgebundenen Komponente.

Neben diesen grundlegenden Befunden wurden und werden spezifische Fragestellungen weiter vertieft, etwa die Problematik der weit verbreiteten Laienforschung in diesem Bereich, wie sie beispielsweise an den Ghost Hunting Groups deutlich wird, oder die Rolle der Massenmedien bei solchen Untersuchungen.

Projektleiter: PD Dr. Michael Schetsche

Bearbeiter: Dr. Gerhard Mayer

Publikationen:

Mayer, G. (2010). Die Geisterjäger kommen. Phänomenologie der Ghost Hunting Groups. Zeitschrift für Anomalistik, 10(1+2), 17-48.

Mayer, G. und Anton, A. (2011). "Think you have a Poltergeist? Or is it the pipes?" Ghost Hunting Groups in den USA und in Deutschland. In Telepolis (Netzmagazin).

Mayer, G. und Schetsche, M. (2011). N gleich 1. Methodologie und Methodik anomalistischer Einzelfallstudien. Edingen-Neckarhausen: Gesellschaft für Anomalistik.