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'Außergewöhnliche Erfahrungen' als soziales Konstrukt
Ziel des wissenssoziologischen und
ideengeschichtlichen Projekts war die Rekonstruktion der Idee der
außergewöhnlichen Erfahrung und der mit ihr
verknüpften lebensweltlichen und wissenschaftlichen
Wissensbestände. Empirisches Material waren die
fachöffentlichen Diskurse der unterschiedlichen
wissenschaftlichen Professionen, Befunde von Untersuchungen zu
den Einstellungen in der Bevölkerung hinsichtlich
außergewöhnlicher Erfahrungen sowie juristische und
therapeutische Praxisformen. Bei der Analyse kamen komplexe
Methoden der empirischen Wissenssoziologie, insbesondere
Deutungsmuster- und Diskursanalyse, zum Einsatz.
Erste Befunde: Erst indem die
Wissenschaften (und die Religion) in der Neuzeit bestimmten
menschlichen Erfahrungen den Status des Alltäglichen
absprechen, konstituieren sie diese für die westliche Welt
diskursiv als außergewöhnliche Erfahrungen.
Solchen Erfahrungen werden wissenschaftlich spezifische Merkmale
zugewiesen, die ihren lebensweltlichen Wirklichkeitsstatus in
Frage stellen und ihre intersubjektive Nachvollziehbarkeit
zerstören. Den Subjekten wird die Möglichkeit genommen,
über sie in einem alltäglichen Modus zu kommunizieren.
Eine weiterführende Hypothese dazu könnte lauten: Die
Exkludierung solcher Erfahrungen aus der alltäglichen
Lebenswelt verfolgt ein soziales Kontrollinteresse. Diesem geht
es um die wissenschaftliche Zurichtung des lebensweltlichen
Denkens und die Eliminierung sozial und/oder politisch
unerwünschter kollektiver Wissensbestände. Ideelle
Basis ist die Unterscheidung des wissenschaftlich-rationalen von
einem magisch-irrationalen Wissen. Durch die soziale
Stigmatisierung (Stichwort: Aberglaube) des Letzteren wird die
Hegemonie des wissenschaftlichen über das lebensweltliche
Denken historisch zunächst her- und dann
sichergestellt.
Projektleiter/Bearbeiter: PD Dr.
Michael Schetsche
Mitarbeiterin: Ina
Schmied-Knittel, M.A.
Publikationen:
Michael Schetsche (2003): Soziale Kontrolle durch
Pathologisierung? Konstruktion und Dekonstruktion
,außergewöhnlicher Erfahrungen' in der Psychologie.
In: Grenzenlose Konstruktivität? Standortbestimmung und
Zukunftsperspektiven konstruktivistischer Theorien abweichenden
Verhaltens. Hrsg. Birgit Menzel und Kerstin Ratzke, Opladen:
Leske + Budrich; S. 141-160.
Michael Schetsche, Ina Schmied-Knittel (2003): Wie
gewöhnlich ist das Außergewöhnliche?
In: Alltägliche Wunder.
Erfahrungen mit dem Übersinnlichen. Wissenschaftliche
Befunde. Hrsg. Eberhard Bauer, Michael Schetsche,
Würzburg: Ergon.