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- Kulturwissenschaftliche und historische Studien
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Sicherheit durch unsicheres Wissen? Parapsychologische Erkenntnisse
und paranormale Praktiken in Geheimdiensten, Militär und Polizei
Durch quellennahe Fallstudien soll untersucht werden, wann und in welcher
Weise in eindeutig verfassten Systemen wie Geheimdiensten, Militär und Polizei,
welche üblicherweise auf ein abgesichertes Methodenspektrum zurückgreifen,
parapsychologische Erkenntnisse rezipiert werden oder okkulte bzw. paranormale
Praktiken zur Anwendung kommen. Unter welchen Bedingungen wurde auf angenommene
paranormale Fähigkeiten zurückgegriffen, wer hatte dafür die Verantwortung und
welche Akteure waren beteiligt? Ein besonderes Augenmerk liegt hier zunächst auf
der bislang nur unzureichend erforschten Geschichte von Okkultismus und
Parapsychologie in der Zeit des Nationalsozialismus. Hier stellt sich die Frage
nach den Ursachen, Abläufen und Folgen der so genannten "Sonderaktion Heß" im
Juni 1941, einer großangelegten Razzia des NS-Regimes gegen Okkultisten und
Geheimwissenschaftler, sowie dem weiteren Stellenwert unorthodoxer Wissensbestände
und okkultistischer Praktiken im NS-System auch nach diesem einschneidenden
Ereignis. Erste Ergebnisse liegen für eine 1942 nachweisbare Sonderabteilung
innerhalb der Deutschen Kriegsmarine sowie für den Einsatz paranormaler
Methoden durch die nationalsozialistische Kriminalpolizei und die SS im Jahr
1943 vor. Diese verweisen auf vorrangig szientistisch-pragmatische Motivationen
anstatt ideologischer Denkweisen im Umgang mit dem Paranormalen seitens
bestimmter Gruppierungen im NS-System sowie auf die Notwendigkeit einer
differenzierten Betrachtungsweise hinsichtlich der Rolle okkultistischer
Akteure im Nationalsozialismus. In weiteren Einzelfallstudien werden die
Fragestellungen in der Nachkriegszeit und bis ca. 1980 weiterverfolgt.
Die Forschungen geschehen im IGPP in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael
Schetsche, Andreas Anton, M.A. und PD Dr. Marc Wittmann.
Veröffentlichungen:
Uwe Schellinger: Hellsehen für den Staat: Gerard Croiset und die Suche nach Hanns Martin Schleyer (1977), in: Zeitschrift für Anomalistik 18 (2018), Nr. 1+2, 76-103.
Uwe Schellinger: Okkultismus in der Polizeiarbeit: Die Hellseher und die Morde auf der Weißtannenhöhe (1928/1929), in: Uwe Schellinger (Hg.): locus occultus. Heilender, populärer und wissenschaftlicher Okkultismus in Freiburg 1900 bis 1945, Heidelberg u.a. 2017, 217-228.
Uwe Schellinger/Andreas Anton/Michael Schetsche: Pragmatic Occultism in the
Military History of the Third Reich, in: Monica Black/Eric Kurlander (Eds.):
Revisiting the "Nazi Occult". Histories, Realities, Legacies, New York: Camden
House 2015, 157-180.
Uwe Schellinger: Die 'Sonderaktion Heß' im Juni 1941: Beschlagnahmung und
Verwertung von Buchbeständen der "Geheimlehren" und "Geheimwissenschaften", in:
NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Viertes Hannoversches Symposium,
im Auftrag der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek - Niedersächsische
Landesbibliothek hrsg. von Regine Dehnel, Frankfurt a.M. 2012, 317-341.
Uwe Schellinger/Andreas Anton/Michael Schetsche: Zwischen Szientismus und
Okkultismus. Grenzwissenschaftliche Experimente der deutschen Marine im Zweiten
Weltkrieg, in: Zeitschrift für Anomalistik 10 (2010), 287-321.
Andreas Anton/Uwe Schellinger/Michael Schetsche: Schwingende Feindaufklärung.
Die Pendelortungsversuche der Deutschen Kriegsmarine 1942, in: Journal for
Intelligence, Propaganda and Security Studies 4 (2010) Nr. 1, 46-63.
Kontakt:
Uwe Schellinger, M.A.
0761/20721-61